Feature-Overload? Kein Priorisierungs-, sondern ein Entscheidungsproblem auf Unternehmensebene.

Inhaltsangabe

Bild symbolisiert feature-overload

Feature-Overload ist in vielen Unternehmen ein alltägliches Problem. Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem ich ein Feature umsetzen sollte, das sich für mich einfach nicht richtig anfühlte. Es gab keinen klaren Nutzen und keine echte Nachfrage von Kundenseite – trotzdem stand es ganz oben auf der Prioritätenliste. Der Grund? Es war irgendwann einmal „versprochen“ worden – nicht etwa den Nutzern, sondern den Investoren oder einflussreichen Stakeholdern.

Ich wollte verstehen, warum. Also stellte ich Fragen:

  • Gibt es Beweise, dass Kunden das brauchen?
  • Was passiert, wenn wir es nicht umsetzen?
  • Warum steht es auf Platz eins, wenn niemand erklären kann, welchen Unterschied es macht?

Die Antworten waren ausweichend. Das Feature war nicht wirklich gewollt – es war einfach in die Roadmap gerutscht, ein Kompromiss aus Politik, vermeintlicher Sicherheit und der Vermeidung schwieriger Entscheidungen. Ein klassischer Fall von „Niemand hat es aktiv priorisiert, aber alle haben stillschweigend zugestimmt.“

Und genau hier liegt das eigentliche Problem: Feature-Overload entsteht nicht, weil wir nicht priorisieren können. Feature-Overload entsteht, weil wir uns nicht trauen, echte Entscheidungen zu treffen.

Feature-Overload: Das Problem liegt nicht in der Priorisierung – sondern in den unsichtbaren Strukturen dahinter.

Viele Unternehmen glauben, sie haben ein Priorisierungsproblem. Sie suchen nach besseren Methoden, bauen komplizierte Entscheidungsframeworks oder verfeinern ihre Roadmaps. Doch das löst das eigentliche Problem nicht. Das Backlog ist nicht voll, weil zu viele Wünsche existieren – sondern weil niemand sich traut, konsequent Nein zu sagen.

  • Features bleiben im Backlog, weil niemand den Mut hat, sie endgültig zu streichen.
  • Aufgaben rutschen in die „Priorität A“-Liste, weil niemand die Verantwortung für ein „Nicht tun“ übernehmen möchte.
  • Roadmaps sind überfüllt, weil das politische Gleichgewicht gewahrt werden muss – nicht, weil sie auf echter Strategie basieren.

Ein Kollege brachte es einmal perfekt auf den Punkt:

Wir haben uns die Lagerhalle angeschaut: alte Gabelstapler überall. Dann führten wir eine Cassandra-Datenbank ein – jetzt fahren wir mit Formel-1-Autos in der Lagerhalle herum.

Schneller, komplexer, teurer

Ein Satz, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging.

Feature-Overload vermeiden: Was passiert, wenn du Klarheit in deiner Produktstrategie schaffst?

Es war eines dieser Projekte, in denen alles „richtig“ gemacht wurde. Die Technologie war modern, die Architektur skalierbar, und das Feature hatte seinen festen Platz auf der Roadmap. Doch als ich mir das Ergebnis ansah, wurde mir klar: Wir hatten ein Problem gelöst, das eigentlich nie existierte.

Die Infrastruktur war plötzlich hochgerüstet, die Geschwindigkeit atemberaubend – aber die Prozesse, für die das System gebaut wurde, hatten sich nicht verändert. Die alte Lagerhalle blieb die gleiche. Nur dass jetzt plötzlich Formel-1-Autos darin fuhren. Schneller. Komplexer. Teurer.

Und genau das ist der Punkt: Wer seine Produktstrategie in den Griff bekommen will, muss nicht nur Features sortieren – sondern sich trauen, echte Entscheidungen zu treffen.

Ein überfülltes Backlog ist kein Zeichen für zu viele Ideen. Es ist ein Zeichen für eine Strategie, die nicht klar genug definiert, was wirklich wichtig ist.

Denn manchmal geht es nicht darum, was als Nächstes gebaut wird – sondern ob es überhaupt gebaut werden sollte.

Was du als PM / PO tun kannst

Als Produktmanager oder Product Owner musst du nicht jede Entscheidung alleine treffen – aber du musst dafür sorgen, dass sie überhaupt getroffen wird.

  • Sei der Dirigent, nicht der Entscheider: Deine Aufgabe ist es, die richtigen Leute zusammenzubringen und sicherzustellen, dass Entscheidungen bewusst getroffen werden – nicht aus Gewohnheit oder Angst.
  • Hinterfrage Annahmen konsequent: Wenn ein Feature schon lange im Backlog liegt, frage nicht „Wann setzen wir es um?“, sondern „Warum steht es überhaupt hier?“
  • Mach Unsichtbares sichtbar: Das eigentliche Problem liegt oft nicht im Backlog selbst, sondern in den Strukturen und Dynamiken dahinter. Sprich diese offen an.

Denn letztendlich zählt nicht, was auf der Roadmap steht – sondern ob die richtigen Dinge dort stehen.

Von Produktmanagement zu Unternehmensführung – Wo liegt die Verantwortung?

Ein spannender Artikel über Decision making

Das Problem endet nicht beim Produktmanagement – es beginnt auf Unternehmensebene. Unternehmen mit schwachen Entscheidungsmechanismen enden in einem Feature-Overload, weil sie keine Klarheit über ihre Prioritäten haben. Digitalisierung ist nicht das Sammeln von Funktionen – es ist die bewusste Entscheidung für das Richtige.

Als Führungskraft musst du nicht jede Entscheidung selbst treffen – aber du musst sicherstellen, dass dein Unternehmen funktionierende Entscheidungsprozesse hat.

  • Führung bedeutet Klarheit. Frage dich: „Treffen meine Teams wirklich die besten Entscheidungen – oder verwalten sie nur den Status quo?“
  • Hinterfrage eure Entscheidungsmechanismen. Gibt es klare Verantwortlichkeiten für Entscheidungen, oder verlieren sie sich im operativen Chaos?
  • Setze bewusst den Rahmen für mutige Entscheidungen. Ein Unternehmen kann nur innovativ sein, wenn es bewusst Dinge nicht tut.

Wenn du Klarheit willst, wo andere nur Nebel sehen – dann lass uns reden.

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